Andreas Lusser sagt: Einspruch!
Lieber Herr Lusser, vielen Dank für das interessante Vorgespräch. Lassen Sie uns für unsere Leser ein paar wichtige Fakten aufbereiten:
Gespräch mit dem Buchautor, der davor warnt, wie Staaten und Behörden unsere Finanzen ausspähen
Warum vertreten Sie vehement die Meinung, dass Geld Privatsphäre verdient?
Andreas Lusser: Ich plädiere für die Gleichbehandlung von Konto und Matratze. Unser Geld verdient nicht mehr, aber auch nicht weniger Privatsphäre als andere persönliche Güter.
Natürlich ist die Privatsphäre kein absoluter Wert, der in jedem Fall schützenswert ist. Wenn klare Verdachtsmomente für ein Verbrechen vorliegen, ist eine Hausdurchsuchung oder das Anzapfen von Bankkonten legitim und richtig.
Ich bin aber dagegen, dass der Staat bei Vermögenswerten, die auf einer Bank deponiert sind, sich Zugriffsmöglichkeiten aneignet, welche ihm bei allen anderen Gütern aus gutem Grund verwehrt sind.
Es gibt Leute, die der Meinung sind: „Ich habe nichts zu verbergen. Bei mir kann der Staat ruhig auf die Kontobewegungen schauen, da ist nichts zu holen. Aber er soll auch mal bei den ‚Reichen‘ gucken, da wird er bestimmt fündig.“
Was halten Sie von solchen Aussagen?
Andreas Lusser: Die Reaktion ist verständlich. Es werden in der Öffentlichkeit auch nur die Fälle präsentiert, wo Glamour oder große Zahlen im Spiel sind.
Wer im Frieden aufgewachsen ist und in keiner Weise von korrupten Behörden genötigt wurde, dem mögen die finanzielle Transparenz und der Austausch von Finanzdaten nicht bedrohlich erscheinen. Doch fragen wir uns nur mal, ob wir der aktuellen russischen Führung wirklich intime Informationen über die finanzielle Situation der Opposition zukommen lassen wollen.
Nicht reich oder arm ist die Frage sondern konform oder nicht konform mit den Regierungsinteressen. Davon hängt ab, ob man unter der finanziellen Transparenz leidet.
Oftmals werden in den Medien zwei Dinge durcheinander geworfen. Deswegen sagen wir es unseren Leser nochmals ausdrücklich: Vermögen im Ausland zu halten ist legal! Die Schwelle zur Illegalität wird überschritten, wenn das Vermögen im Ausland wächst (Zinsen, Dividenden) und man den Zugewinn nicht im Heimatland versteuert.
Die Geschichte kennt einige Beispiele, in denen Auslandsvermögen von Bürgern beim „Wiederaufbau“ nach kriegs-, aber auch finanzbedingter Zerstörung dem Vaterland sehr geholfen hat.
Können Sie bitte ein Beispiel herausgreifen und unseren Lesern davon berichten?
Andreas Lusser: Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg wurde signifikant durch rechtzeitig vor dem Nazi-Regime in Sicherheit gebrachte Gelder unterstützt.
Deutschland profitierte signifikant durch das Auslandsvermögen seiner vorsichtigen Bürger
Von Argentinien über Asien bis Uganda haben viele Länder in den letzten Jahrzehnten das meiste im eigenen Bankensystem angelegte Vermögen mindestens einmal vernichtet. Folgeregierungen, welche das Vertrauen der Menschen gewinnen konnten, haben dann von den Investitionen profitiert, welche die Landsleute mit dem ihnen im Ausland verbliebenen Geld wieder machen konnten. Erst danach kam dann auch wieder das Vertrauen der Ausländer.
Analoges dürfte in den kommenden Jahren für den Aufbau von Tunesien, Ägypten und Syrien gelten. Die Verschuldungskrise in der EU ist ebenfalls noch keineswegs überstanden. Ob alle Länder ohne Zwangsmaßnahmen für ihre Bürger da heil rauskommen werden ist möglich, aber keineswegs sicher.
Auf politischer Ebene vereinbarten 42 Staaten auf einem OECD-Treffen im Februar 2014 einen automatischen Austausch von Finanzinformationen über ihre Bürger und Unternehmen einzuführen. Der bisherige Entwurf des Musterabkommens beruht auf Gegenseitigkeit.
Durchdenken wir gemeinsam ein Beispiel: Ein europäischer Finanzpolitiker würde sich freuen, wenn er jedes Jahr automatisiert alle relevanten Finanzdaten seiner Bürger, die ein Konto, eine Versicherung oder Beteiligung an einer juristischen Person im Ausland haben, kostenlos (kein Ankauf mehr von gestohlenen Bankdaten notwendig, wie es das Bundesland Nordrhein-Westfalen bisher praktiziert hat) auf dem Silbertablett erhielte.
Gleichzeitig würde beispielsweise Deutschland als Unterzeichner-Staat verpflichtet sein, alle relevanten Finanzinformationen über oppositionelle Russen – dieses Beispiel ist bewusst zum Zeitpunkt der Krise um die Krim gewählt – an den russischen Staat zu liefern.
Dass Finanzdaten über Mitglieder der politischen Opposition oder allgemein über „Andersdenkende“ missbraucht werden können, ist nicht weit hergeholt. Im Jahr 2013 trat genau aus diesem Grund der Chef der US-Steuerverwaltung IRS zurück. Und bei den USA handelt es sich um keine Bananen-Republik, sondern um einen freiheitlichen Rechtsstaat!
Was halten Sie von diesen Szenarien?
Andreas Lusser: Das Problem des Datenaustausches liegt effektiv nicht zwischen Ländern wie Deutschland, Luxemburg oder der Schweiz heute. Da dürfte es wirklich primär zur sinnvollen Verbesserung der Steuermoral genutzt werden.
Der humanitäre Preis dafür ist allerdings enorm und wird – einmal mehr – von anderen bezahlt. Die klassischen Bankgeheimnisländer wie die Schweiz stehen nicht nur unter Druck von Deutschland. Selbst die UNO propagiert den weltweiten Finanzdatenaustausch. Darüber freuen sich nicht nur westliche Regierungen, sondern auch viele unzimperliche Herrscher.
Unzimperliche Herrscher freuen sich auf den Finanzdatenaustausch
Soll man dem Druck der deutschen Kavallerie nachgeben, der chinesischen oder russischen aber widerstehen? Vor dem historischen Hintergrund als auch bei einer Betrachtung der aktuellen politischen Landkarte ist der internationale Finanzdatenaustausch menschlich unverantwortbar.
Lässt sich die Entwicklung aufhalten bzw. sinnvoll korrigieren oder drohen wir in eine Finanz-Kontroll-Diktatur abzugleiten?
Andreas Lusser: Der Trend geht klar in die falsche Richtung. Das Argument der Steuergerechtigkeit hat praktisch jeden Widerstand gegen den staatlichen Datenhunger ausgeschaltet.
Entwicklungen wie der Erfolg von Bitcoin zeigen aber, dass der Erfindungsreichtum der Menschen nicht unterschätzt werden sollte. Es ist zu hoffen, dass die finanzielle Privatsphäre nicht zu einem Privileg von Menschen wird, welche sich international verschachtelte Gesellschaften und/oder Strohmänner leisten wollen und können.
Bitte geben Sie unseren Lesern eine kleine Vorschau auf Ihr Buch „Einspruch“. Was erfährt der Leser darin?
Andreas Lusser: Das Buch dreht sich um drei wesentliche Themenkreise:
- Die Problematik der Daten in den falschen Händen wird genauer analysiert.
- Es wird aufgezeigt, welche Maßnahmen nötig sind, um der offiziell angestrebten Steuergerechtigkeit näher zu kommen und dass hierfür ein bisschen Datenaustausch bei weitem nicht reicht.
- Es wird dargelegt, dass es möglich ist finanzielle Privatsphäre und Steuerehrlichkeit in Einklang zu bringen.
Das Buch zeigt, dass es bei dem Kampf um Finanzinformationen nicht um einen Konflikt zwischen Deutschland und der Schweiz oder zwischen Oasen und Wüsten geht. Auch geht es nicht um einen Gegensatz zwischen Reichen und Armen oder linken und rechten Positionen in der politischen Landschaft.
Es werden vielmehr Überlegungen angebracht, wie wir das Verhältnis untereinander gestalten wollen, zwischen uns und unseren staatlichen Organen und zwischen verschiedenen souveränen Staaten. Vor allem aber ist es ein Plädoyer zur Zurückhaltung im Umgang mit der Versuchung.
Plädoyer zur Zurückhaltung im Umgang mit der Versuchung
Versuchungen für den Einzelnen, bei Steuerangaben nicht ehrlich zu sein, Versuchung für Medien und Politiker auf dem Neidthema zu reiten, Versuchung aber auch für die staatlichen Organe, sich für die Verfolgung von Steuerdelikten Instrumentarien zu schaffen, welche anderen Behörden bei der Verfolgung anderer Gesetzwidrigkeiten aus gutem Grund nicht zur Verfügung stehen.
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